Selbstreflexion ist wichtig, aber nicht alles

Jetzt, wo es in die besinnlichen Tage geht, ein etwas anderer Denkanstoß: Die eigenen langfristigen finanziellen Ziele zu kennen ist wichtig. Aber ein einseitiger Fokus darauf birgt Risiken.

Mit Introspektion finden wir heraus, was uns Lebensfreude und Lebenssinn gibt. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass unser Geist uns manchmal Streiche spielt. Die Verfügbarkeitsheuristik (ein einseitiger Fokus leicht erinnerbare Informationen) ist so ein Streich. Deshalb ist es ebenso wichtig, andere Dinge – Dinge, von denen man aus Studien weiß, dass sie zu Glück beitragen – zu berücksichtigen.

In verschiedenen Studien wurde herausgefunden, dass es ratsam ist, selbst definierte Schwerpunkte und Prinzipien zu ergründen. Dass man sie aber gleichzeitig nicht als einzige Quelle zur Entscheidungsfindung nehmen sollte. Eine Studie von Morningstar zum Beispiel zeigt, dass viele Menschen ihren Finanzberatern eine Liste an langfristigen Zielen präsentieren können. Dass dieselben Menschen allerdings ihre Ziele ändern, wenn sie vom Finanzberater von anderen Menschen genannte Ziele präsentiert bekommen.

Häufig können Menschen von sich aus an einige Optionen denken. Sie übersehen aber mehr als die Hälfte aller Möglichkeiten und übersehen somit andere gute Optionen (die ihnen nicht selbst einfielen). Das bedeutet, es ist besser, allgemeines Wissen ebenso zu berücksichtigen, anstatt sich nur auf die eigenen Gedanken zu verlassen.

In einer von uns am Centre for Behavioural Research durchgeführten Studie fanden wir heraus, dass knapp die Hälfte der Menschen einen Finanzplan hat. Diejenigen mit einem solchen Plan, berücksichtigen oft Aspekte wie Altersvorsorge und den Aufbau von Rücklagen. Viele sagen auch, dass sie in ihren Plänen Dinge einbeziehen, die ihnen Lebensfreude und -sinn geben.

Auf die Frage, was genau sie in ihrem Finanzplan berücksichtigen, wenn es um Lebensfreude und -sinn geht, antworten sie lebhaft:

  • „Ich genieße Fußball und berichte über Spiele. Also habe ich Reisekosten, die ich in meinem Finanzplan berücksichtige.“

  • „Es klingt abgedroschen, aber meine Frau und Kinder geben mir alle Freude, die ich im Leben brauche. Dinge für sie zu tun, besondere Urlaube und Tage auswärts, praktische Geschenke oder luxuriösere… All das berücksichtige ich in meinem Plan.“

  • „Ich liebe das Kino und Vintage Filmplakate sind meine Leidenschaft. Auch die Liebe zur Kunst und Musik. Ich habe unsere Finanzen immer um diese Bestrebungen geplant und weiß, wie ich die Erwartungen an das, was wir uns leisten können, anpassen kann.“

  • „Ich genieße Musik, also stelle ich sicher, dass ich die Mittel habe, um mein Klavier zu pflegen.“

  • „Ich reise gerne mit meinem Wohnmobil für längere Zeiträume durch Europa und habe dafür gesorgt, dass ich für mindestens die nächsten 5-8 Jahre die Mittel dazu habe, mit Reserven für den Fall, dass sich Umstände oder Optionen verschlechtern.“

  • „Wir essen gerne aus. Aber die meisten unserer Hobbys sind relativ günstig. Laut meinem Finanzplan können wir leicht innerhalb unserer Mittel leben aufgrund unseres Lebensstils.“

In einem zweiten Schritt fragten wir die Menschen, ob Sie die folgenden 8 Dinge in ihrem Finanzplan ebenso berücksichtigen. Wir erklärten, dass es sich bei diesen 8 Dingen um Aspekte handelt, die laut Psychologie, Verhaltenswissenschaft und Neurowissenschaft objektiv zu einem glücklicheren Leben beitragen.

Dies ist die Liste (verkürzt: die volle Liste finden Sie in meinem Buch):

  1. - Beziehungen und soziale Verbindungen: Starke, positive Beziehungen.

  2. - Zugang zu Grünflächen: Positive Korrelation zwischen Grünflächen und Glück.

  3. - Physische Gesundheit und Wohlbefinden: Regelmäßige körperliche Aktivität, gesunde Ernährung und Schlaf.

  4. - Mentale Gesundheit und emotionales Wohlbefinden: Stressmanagement und Resilienz.

  5. - Leistung und Kompetenz: Verfolgen von Zielen und Kompetenzentwicklung.

  6. - Autonomie und Freiheit: Kontrolle über das eigene Leben.

  7. - Positive Emotionen und Erfahrungen: Erleben positiver Emotionen.

  8. - Optimismus und positives Denken: Positive Einstellung und konstruktive Haltung.

Wie gesagt: knapp die Hälfte der von uns befragten Menschen hat einen Finanzplan.

Interessanterweise jedoch: Als sie mit einer Liste an Dingen konfrontiert wurden, die laut Psychologie, Verhaltenswissenschaft und Neurowissenschaft objektiv zu einem glücklicheren Leben beitragen, sagten nur 25%, dass sie aus dieser Liste nichts für ihren Finanzplan übernehmen könnten.

Oder anders: 75% gaben an, dass sie Elemente aus der umfassenden Liste in ihren Finanzplan integrieren könnten, da diese derzeit zu wenig berücksichtigt werden.

Dies zeigt, dass viele Menschen sich zwar auf persönliche Interessen und Leidenschaften konzentrieren. Sie erkennen aber auch, dass andere Aspekte für ein langfristig erfülltes Leben wichtig sind und in ihre finanzielle Planung einbezogen werden sollten.

Wir brauchen Introspektion. Sie ist unerlässlich.

Doch sie allein sind nicht ausreichend.

Unser System 1 kann uns nämlich manchmal in die Irre führen, etwa durch die Verfügbarkeitsheuristik. Wir neigen dazu, uns auf das zu konzentrieren, was uns sofort einfällt, und übersehen dabei oft, was langfristig zu unserem Glück beiträgt. Deshalb ist es wichtig, auch wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse in unsere Überlegungen einzubeziehen.

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Menschenzentrierte Finanzberatung: Was die Evolution der Verhaltensökonomie für Berater bedeutet

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Geld ist wichtig, aber nicht alles!