Menschenzentrierte Finanzberatung: Was die Evolution der Verhaltensökonomie für Berater bedeutet

Die Verhaltensökonomie hat die Art und Weise, wie wir langfristige Finanzplanung verstehen, revolutioniert. Statt davon auszugehen, dass Menschen immer rationale Entscheidungen treffen, zeigt sie, wie unser Verhalten von psychologischen Mustern und emotionalen Einflüssen geprägt wird. Das ist keine bloße Theorie – in der Praxis hat die Verhaltensökonomie bereits bewiesen, dass sie echte Wirkung entfalten kann. Ein Paradebeispiel ist das britische Auto-Enrolment in betriebliche Altersvorsorge. Hier werden Mitarbeiter automatisch in ein Rentensystem aufgenommen. Warum funktioniert das so gut? Weil es sich die „Trägheitsfalle“ zunutze macht: Die meisten Menschen bleiben bei der Standardeinstellung, anstatt aktiv auszusteigen. Ergebnis? Mehr Menschen sparen für den Ruhestand, ohne dass es sich wie ein Kraftakt anfühlt.

Solche Maßnahmen basieren auf Erkenntnissen wie der Gegenwartspräferenz, also unserer Tendenz, den kurzfristigen Genuss über langfristige Vorteile zu stellen. Oder der Verlustaversion, die dazu führt, dass wir Verluste stärker fürchten, als wir Gewinne schätzen. Durch gezielte Nudges – kleine Anstupser in die richtige Richtung – lassen sich solche Verhaltensmuster oft positiv beeinflussen. Doch genau hier beginnt die Diskussion: Sind Nudges wirklich immer sinnvoll, oder ignorieren sie manchmal den tieferen Kontext und die wahren Bedürfnisse der Menschen?

Ein prominenter Kritiker der klassischen Verhaltensökonomie ist Gerd Gigerenzer. Er argumentiert, dass viele der sogenannten „Verzerrungen“ – wie Trägheit oder Verlustaversion – nicht immer Fehler sind, sondern evolutionär sinnvolle Anpassungen. Beispiel: Der Wunsch, Verluste zu vermeiden, schützt uns oft vor übermäßigem Risiko. Diese Sichtweise ermutigt dazu, Verhalten im Kontext zu verstehen, anstatt es pauschal zu korrigieren.

Die Verhaltensökonomie der ersten Generation („1.0“) hat sich darauf konzentriert, kognitive Verzerrungen zu identifizieren und zu korrigieren. Doch es zeichnet sich eine neue, menschenzentrierte Phase ab: Behavioral Finance 2.0. Hier stehen nicht mehr die „Fehler“ der Menschen im Fokus, sondern ihre Werte, Emotionen und Lebensziele. Brian Portnoy, Gründer von Shaping Wealth, nennt dies eine „empathische Beratungspraxis“. Es geht darum, Klienten nicht nur zu lenken, sondern sie wirklich zu verstehen.

Dr. Brian Portnoy im Gespräch mit Dr. Daniel Crosby. Beide bieten hervorragende neue Ansätze für Finanzberater in den USA. Ich habe viel von beiden gelernt. Und Daniel hat zu meinem eigenen Buch das Vorwort geschrieben.

Ein Beispiel: Wenn ein Klient darauf besteht, seine Hypothek abzuzahlen, obwohl es aus finanzieller Sicht sinnvoller wäre, das Geld zu investieren, sollte ein Berater die emotionalen Gründe hinter dieser Entscheidung erkunden. Warum gibt es diesem Menschen Sicherheit? Statt die „rationale“ Lösung zu predigen, sollte ein Gespräch über Werte und Prioritäten stattfinden.

Die Zukunft der Finanzberatung liegt in der Integration von Finanzen und Lebensgestaltung. Wie Dr. Daniel Crosby in seinem neuen Buch The Soul of Wealth betont: „Wohlstand ist mehr als Zahlen.“ Wahres finanzielles Wohlbefinden bedeutet, Geld mit Sinn zu verbinden. Hierfür bietet das PERMA-Modell aus der positiven Psychologie einen wertvollen Rahmen: Es betont positive Emotionen, Engagement, Beziehungen, Sinn und Erfolg. Berater, die diese Dimensionen in ihre Arbeit einbeziehen, helfen Klienten, nicht nur finanziell abgesichert, sondern auch erfüllt zu leben.

Was bedeutet das konkret für deutsche Finanzberater? Es geht darum, Klienten als ganze Menschen zu sehen – nicht nur als Zahlen auf einem Blatt Papier. Die meisten Menschen kommen nicht zu Ihnen, weil sie die Inflation schlagen wollen. Sie kommen, weil sie ein Ziel haben: Sicherheit, Unabhängigkeit, ein gutes Leben für ihre Familie. Dies zu verstehen und in den Mittelpunkt der Beratung zu stellen, macht den Unterschied.

Die Umstellung auf eine menschenzentrierte Beratung ist keine bloße Idealvorstellung. Studien zeigen, dass Berater, die emotionale und soziale Ziele ihrer Klienten integrieren, langfristig erfolgreicher sind. Sie gewinnen mehr Empfehlungen, bauen stabilere Kundenbeziehungen auf und blicken optimistischer in die Zukunft.

Menschenzentrierte Finanzberatung ist nicht nur ein Buzzword – sie ist der Schlüssel zu nachhaltigem Erfolg. Indem Sie Klienten nicht nur bei finanziellen, sondern auch bei emotionalen und lebensbezogenen Herausforderungen unterstützen, schaffen Sie echten Mehrwert. In einer Branche, die oft von Zahlen und Renditen dominiert wird, ist das vielleicht der entscheidende Unterschied, der Sie von der Masse abhebt.

Übrigens, Finanzberater, die einen ersten Einblick in die Welt der Behavioural Finance gewinnen möchten, können zwei exklusive, von mir entwickelte Web-Based Trainings bei GOING PUBLIC absolvieren – ideal, um direkt in die Praxis einzusteigen.

Darüber hinaus biete ich spezialisierte Trainings zur menschenzentrierten Finanzberatung an. In diesen praxisnahen Kursen lernen Sie unter anderem:

  • Das perfekte Kennenlern-Gespräch: Den besten ersten Eindruck hinterlassen.

  • Das perfekte Beratergespräch: Vertrauen aufbauen und Kunden langfristig binden.

  • Das perfekte Jahresgespräch: Ihre Beratung auf das nächste Level heben.

  • Empfehlungsmanagement: Wie Sie durch Empfehlungen nachhaltig wachsen.

Ebenso empfehlen kann ich mein bei Amazon oder über diese Website erhältliches Ebook “Die Finanzberater der Zukunft sind Wellbeing-Maximierer”.

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