Jetzt 4 Wochen im Sommerurlaub (für weniger als 2000 Euro)
Sommerurlaube sind teuer! Viele von uns sparen ein ganzes Jahr oder mehr auf eine tolle Zeit mit der Familie zwischen Juni und August. Es ist verständlich: Eine Auszeit ist sinnvoll. Abschalten, auftanken, … – all das braucht man von Zeit zu Zeit. Und Zeit mit der Familie ist wertvoll, vor allem, wenn man im Arbeitsalltag wenig davon hat. Hier sammelt man Erfahrungen und Erlebnisse, von denen man noch lange zehrt. Gemeinsame Urlaube sind sinnvolle „Investitionen“.
Aber müssen sie so teuer sein?
Ich glaube, viele Menschen kaufen sich teure Urlaube, weil sie im Arbeitsalltag toll klingen. Nicht, weil sie später proportional dem Preis toller wahrgenommen werden.
Zum Beispiel:
Meine Kollegin verbrachte mit ihrem Mann und ihren 3- und 5-jährigen Söhnen 2 Wochen in Florida. Mit Disneyworld, Seaworld, Everglades und so weiter. Klingt toll. Aber es war zu heiß, der Jüngere begann ausgerechnet dort den Buggie zu verweigern, sodass alles länger dauerte. Sie standen viel an, das Essen in der Vollpension war schlecht und sie brauchte über eine Woche, um den Jetlag zu kurieren, als sie wieder da war.
Ein Freund von mir buchte eine Kreuzfahrt durchs Mittelmeer. Er hatte sich auf Entspannung und tolle Ausflüge gefreut. Doch das Schiff war überfüllt, die Pools waren ständig besetzt, und die Landausflüge waren stressig und überteuert. Das Essen an Bord entsprach nicht seinen Erwartungen, und insgesamt fühlte er sich mehr gestresst als erholt.
Das Problem: Nur weil etwas toll klingt, heißt es noch lange nicht, dass wir es auch als großartig erleben werden. Paul Dolan, Professor für Verhaltenswissenschaft an der London School of Economics, redet viel über den Unterschied zwischen Evaluation und Erlebnis. Wir achten häufig eher darauf, wie etwas klingt (die Evaluation), als dass wir darauf achten, wie wir es erleben (das Erlebnis).
Wir haben uns dieses Jahr für etwas Anderes entschieden. Wir fragten uns zuerst: Was wollen wir eigentlich erleben?
Unser Alltag ist nicht unbedingt stressreich. Aber wir sind sehr aktiv in unseren Routinen: meine Frau arbeitet ebenso Vollzeit. Ich reise immer mehr. Unsere Kinder gehen nach der Schule (die in UK um 9 beginnt und um 15:20 aufhört) für 2,5 Stunden in den After School Club. Dort haben sie keine Hausaufgaben (das gibt’s bei uns nicht, thank goodness), sondern social time mit ihren Freunden. Es macht Spaß. Aber am Freitagabend sind sie geschlaucht. Am Samstag spielen sie Fußball. Ab dann beginnt das Abklingen. Goofy time, wie wir es nennen: in den Tag hineinleben, Monopoly oder andere Brettspiele spielen, sich treiben lassen, daddeln. Der ganze Sonntag verläuft so.
Unser Urlaub soll genauso verlaufen. Das haben wir uns vorgenommen. Und das, so dachten wir uns, muss nicht so viel kosten.
Was machen wir also?
Zuerst geht’s in die Heimat nach Hamburg. Dort verbringen wir ein paar Tage bei meinen Eltern. (Die Direktflüge haben wir früh gebucht, wir reisen ohne Extra-Gepäck, weil wir viel waschen können, zahlen ungefähr 85 Euro pro Nase – also knapp 350 Euro insgesamt.)
Dann geht’s mit dem Zug nach Stockholm mit einem Zwischenstopp mit Übernachtung in Kopenhagen: Alles früh gebucht, zahlen wir ebenso insgesamt 500 Euro für Fahrt und Übernachtung.
In Stockholm bleiben wir 8 Tage und die kosten uns: nichts. Wir haben eine schöne Wohnung im Stadtzentrum. Es gibt ein großes Wohnzimmer, ein Zimmer für die Eltern, ein Zimmer mit zwei Einzelbetten für die Kinder. Und wir zahlen dafür nichts, weil die Familie, die dort normalerweise lebt, zeitgleich in unserer Wohnung im Stadtzentrum von Edinburgh verbringt. Homeswaps. Wir haben es über die Plattform HomeExchange arrangiert.
Nach 8 Tagen geht’s weiter Richtung Norden. Irgendwo in der schwedischen Pampa, ungefähr 2 Stunden nördlich von Stockholm, verbringen wir 12 Tage in einem Haus am See. Selbes Arrangement: wir zahlen nichts, weil die Familie, die dort lebt, in der Zeit bei uns lebt. Wieder HomeExchange. Wir leihen uns allerdings ein Auto für Ausflüge vor Ort – wir zahlen ungefähr 500 Euro (vor allem wegen der Kindersitze…).
Nach den 12 Tagen im Norden gibt’s noch eine Nacht in Stockholm (diesmal Hotel mit guter Anbindung zum Flughafen). Und dann geht’s direkt mit SAS zurück nach Edinburgh. Unterkunft in Stockholm und Flug kosten auch wieder unter 500 Euro, weil recht früh gebucht (und wir kein Aufgabegepäck haben).
Alles zusammen (zugegeben: ohne Verpflegung, aber die hätten wir zu Hause ebenso) kostet uns weniger als 2000 Euro.
Ich führe die Kosten aus, weil ich natürlich aus einer Financial Wellbeing Perspektive schreibe. In meinen Büchern lesen Sie, dass es bei Financial Wellbeing darum geht, Geld so zu verdienen, auszugeben und zu verwalten, dass es uns heute, morgen und langfristig glücklich macht. Geld spielt dafür natürlich eine Rolle. Ohne Geld wird es schwer. Aber wichtiger als Geld ist vielleicht Selbstwissen darüber, was uns eigentlich glücklich machen könnte. Unser Bedürfnis – wie gesagt: – war diesmal recht einfach: wir wollten einfach Goofy time: Zeit zusammen verbringen, in den Tag hineinleben, mal sehen, was passiert. Wir tun dies an Orten, an denen wir nicht leben und die wir nicht gut kennen. So kommt ein wenig Abenteuer mit rein.
Ich will nicht belehren, aber ich höre häufig, dass alles teurer geworden ist, dass Urlaube mit der Familie sündhaft teuer sind und dass das Reisen zum Luxus geworden ist.
Ich gebe zu: ein Grund, warum wir viel sparen, ist, weil wir aufgrund der Homeswaps keine Kosten für Unterkunft haben. Das geht zum Beispiel nicht, wenn man mietet. Aber vielleicht gibt es dann andere Möglichkeiten, Geld zu sparen? Zum Beispiel in dem man innerhalb des eigenen Landes reist oder günstige Unterkunftsmöglichkeiten wie Campingplätze nutzt.
Die schwierigste Leistung liegt vielleicht jedoch in Folgendem:
Damit zu beginnen, sich zu fragen, was man mit dem Urlaub eigentlich erreichen will: will man eine ruhige, schöne Zeit mit der Familie, Abenteuer, eine andere Kultur erleben, Natur genießen, sportliche Aktivitäten unternehmen, einfach entspannen? Hat man Klarheit darüber, dann kann man sich fragen, wie man dieses Bedürfnis mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen erreichen könnte.
Man sollte sich fragen, ob das vermeintlich tolle (und meistens teure) Reisepaket wirklich so toll ist, wenn man es tagein, tagaus (inklusive Flugzeiten, Überstunden, Stress) erlebt. Oder ob es nur jetzt, im Arbeitsalltag und in der Art und Weise, wie man es Freunden, Kollegen und Verwandten präsentiert.
Ich gebe mal ein Update, wenn der Urlaub vorbei ist. Vorübergehend wünsche ich Ihnen einen schönen Sommer.