Antifaltencremes sind Gift für die Altersvorsorge
Ja, diesmal motiviere ich Sie, liebe Leserin / lieber Leser, mit einer provokanten Überschrift zum Lesen meines Blogs. Aber: was ich schreibe, stimmt!
Antifaltencremes sind natürlich ein Produkt des Anti-Ageing-Marktes – einem Markt mit vielen Produkten, Dienstleistungen und Technologien. Gemein haben all diese Angebote, dass sie darauf abzielen, die Zeichen des Alter(n)s zu verlangsamen, zu verhindern oder sogar umzukehren.
Warum gibt es eigentlich diesen Markt?
Der betriebswirtschaftliche Grund ist natürlich, dass man mit solchen Produkten Geld verdient. Es gibt einen enormen wirtschaftlichen Anreiz für Unternehmen, Anti-Ageing-Produkte und -Dienstleistungen zu verkaufen. Die Versprechen von ewiger Jugend und Schönheit sind verführerisch und können hohe Gewinne erzielen. Der Markt wächst! Laut Statista stieg der Anteil an Botox-Injektionen in Deutschland im letzten Jahr auf 306.000!
Aber der Markt wächst natürlich nur, weil eine Nachfrage nach solchen Produkten existiert (oder hergestellt wird). Also gibt es tiefere Gründe für diesen Markt.
Zum Beispiel kulturelle Vorstellungen von Schönheit: Unsere moderne Kultur betont Jugendlichkeit als idealen Zustand. Das Altern wird oft als Verlust betrachtet – von Schönheit, Energie, Potenzial und Wert.
Oder Angst vor dem Tod: Der Anti-Ageing-Markt kann auch als Versuch gesehen werden, die unvermeidliche Realität des Todes zu verdrängen. Indem man versucht, die Zeichen des Alterns zu bekämpfen, versucht man symbolisch, die Zeit stillzustehen.
Altersdiskriminierung (oder Ageism) äußert sich in Vorurteilen gegen Personen oder Gruppen aufgrund ihres Alters und führt in der Praxis zu Diskriminierung, Missachtung oder Marginalisierung aufgrund des Alters. Im Vergleich zu anderen Formen der Diskriminierung (zum Beispiel Sexismus oder Rassismus) richtet sich Alterdiskrimierung auch gegen eine Form des Selbst – sein Zukünftiges Selbst.
Antifaltencremes und andere Produkte des Anti-Ageing Marktes werden durch die Weigerung angetrieben, zu akzeptieren, dass auch wir altern werden.
Vielleicht aus Scham? Brené Brown, die Forschungsprofessorin und Bestsellerautorin, die sich ausführlich mit den Themen Verletzlichkeit, Mut, Authentizität und Scham beschäftigt hat, definiert Scham wie folgt: “Scham ist die intensive, schmerzliche Überzeugung oder das Gefühl, dass wir aufgrund unserer Handlungen, unseres Aussehens oder einfach des Faktums, dass wir leben, nicht liebenswert sind und keine Zugehörigkeit verdienen.”
Eine Frage die mich immer wieder beschäftigt ist, wieso Frauen es schwerer finden, sich um ihre Altersvorsorge zu kümmern als Männer. Wie ich in meinem Buch schreibe, die Rentenlücke bei Frauen ist größer. Wir wissen ebenso, dass Frauen weniger Privatvorsorge betreiben.
Ich glaube, dass ein Grund darin liegt, dass Frauen sich weniger gern mit ihrem zukünftigen (alten) Selbst beschäftigen. Denn das würde bedeuten, sich mit all den ungewollten Dingen des Alter(n)s auseinanderzusetzen.
Alter(n), kurzum, ist schambehaftet für viele Frauen: Es ist schambehaftet aufgrund gesellschaftlicher Schönheitsideale, die Jugendlichkeit mit Schönheit und Wert gleichsetzen. Es ist schambehaftet wegen Medien und Kultur, die oft diese Ideale betonen, was zu einem Gefühl der Abwertung bei körperlichen Veränderungen führt. Die Angst vor Ablehnung, sei es in Beziehungen oder auf dem Arbeitsmarkt, verstärkt diese Schamgefühle. Zudem können interne Überzeugungen und der ständige Vergleich mit anderen durch soziale Medien das Selbstwertgefühl beeinflussen, während kulturelle Werte, die Frauen oft mit ihrer Fruchtbarkeit gleichsetzen, nach der Menopause zusätzliche Scham auslösen können.
Es wäre viel besser, Altern mit einer gewissen Gelassenheit und Akzeptanz zu betrachten und die positiven Aspekte und Möglichkeiten zu erkennen, die es mit sich bringt. Alter(n) ist ein Privileg. Wie Woody Allen einmal sagte:
Ich habe nichts gegen das Älterwerden, da niemand einen besseren Weg gefunden hat, nicht jung zu sterben.
Wenn man das Alter gelassen akzeptiert, zeigt sich das in der Akzeptanz natürlicher körperlicher Veränderungen, einem tieferen Selbstverständnis und dem Fokus auf inneren Wachstum statt äußerlicher Schönheit. Man lebt stärker im Hier und Jetzt, pflegt bedeutungsvolle Beziehungen und entwickelt ein größeres Mitgefühl für andere. Die Angst vor dem Tod kann abnehmen, und anstatt Geld und Zeit in Anti-Ageing-Produkte zu investieren, konzentriert man sich mehr auf das allgemeine Wohlbefinden und die Qualität des gelebten Lebens. Es wird weniger Wert auf den Kampf gegen das Altern und mehr auf die Schätze und Möglichkeiten dieser Lebensphase gelegt.
Und ebenso kann man sich eventuell – wenn man auf Antifaltencremes verzichtet und einen gelasseneren Zugang zum Alter(n) findet – eher mit den Bedürfnissen, Wünschen und Notwendigkeiten seines zukünftigen Selbst beschäftigen… und für dieses Selbst finanziell vorsorgen.