Schnäppchenjagd hat NICHTS mit Financial Wellbeing zu tun

Eine Woche vor Black Friday — die Bedeutung des Events nimmt glücklicher Weise ab —möchte ich klarstellen: Schnäppchenjagd hat nichts mit Financial Wellbeing zu tun. Es handelt sich um ein großes Missverständnis! Auch viele Arbeitgeber missverstehen es:

Möbel, Mode und Massagen —für all dies und vieles mehr kann man auf Rabatt- oder Vorteilsplattformen Gutscheine, Schnäppchen und Rabatte erwerben. Immer mehr Arbeitgeber bieten Zugang zu solchen Portalen. Sie werden dargestellt als ein handfestes Argument dafür, bei ihnen zu arbeiten oder angestellt zu bleiben. Anbieter wie Swibeco oder Incent verkaufen diese Portale an Unternehmen, damit sie ihre Mitarbeiter motivieren und belohnen können. “Zufriedene und loyale Mitarbeiter sind das höchste Gut jedes Unternehmens”, schreibt zum Beispiel der Anbieter Mitarbeitervorteile.de. “[Wir bieten] Ihnen umfangreiche Services und attraktive Angebote für Ihre Mitarbeiter und viel Spielraum in der Kommunikation und Incentivierung.” Zu den Angeboten gehören “500 Marken und Anbieter mit Angeboten, Rabatten und echten Vorteilen für Ihre Mitarbeiter”.

Den Mitarbeitern selbst preisen sie “eine große Vielfalt an Vorteilen” an, so dass diese “regelmäßig von der aktuellen Angebotsvielfalt profitieren. Am besten gleich registrieren bzw. einloggen und loslegen.”

Solche Angebote helfen uns aber nur oberflächlich gesehen beim Sparen oder Schuldenabbau. Sicherlich bekommen wir Espressomaschinen für 15% weniger als den Einkaufspreis im Warenhaus. Und wir kriegen 10% eines Preises in unserem Nutzerkonto gutgeschrieben beim Einkauf von Uhren bei einer bekannten Juwelierkette. Das Problem ist: Diese Plattformen verleiten uns dazu —vielleicht sogar mit Hilfe verhaltenswissenschaftlicher Studienergebnisse — Dinge zu kaufen, die wir eigentlich gar nicht brauchen. Diese Umwelt sagt uns nicht, dass wir 100% sparen würden, wenn wir Espressomaschinen oder Uhren, die wir nicht brauchen, gar nicht erst kaufen würden.

Wie “Angebote” funktionieren — eine Aufklärungskampagne des Behavioural Insight Team.

Mitarbeitervorteile.de verschleiert ihr Geschäftsmodell auch gar nicht. Auf der Seite für Anbieter bewirbt das Portal ihren Service wie folgt:

Erschließen Sie neue lukrative Kundengruppen und optimieren Sie Ihre Skaleneffekte durch nachweislich höhere Konversionsraten. Authentizität und Glaubwürdigkeit gegenüber unseren und Ihren potentiellen neuen Kunden ist unser höchstes Gut - gestützt durch die Empfehlung unserer kooperierenden Unternehmen.

Es ist in unserer physischen und virtuellen Umwelt extrem schwierig, die permanenten Kaufangebote zu ignorieren. In den Schaufenstern versuchen immer größere Bildschirme mit immer schnelleren Bildern und helleren Lichtern unsere Aufmerksamkeit zu ergattern. Supermärkte platzieren beliebte Produkte meistens im hinteren Abschnitt des Supermarkts. Somit müssen die Kunden an vielen anderen Artikeln vorbeilaufen, um zu ihnen zu gelangen. Rabattschilder und Schnäppchenangebote hängen hoch, sodass man sie von weitem erkennen kann. Sie sind rot, weil diese Warnfarbe einen hohen Aufmerksamkeitsgrad auf sich zieht.

Im Internet hat Google den Unterschied zwischen Suchergebnissen und Werbeanzeigen inzwischen so undeutlich gemacht, dass eine Mehrheit den Unterschied gar nicht mehr erkennt. Anzeigen erscheinen im Facebook Feed zwischen den Updates von Freunden und Familienangehörigen. Sie sind manchmal nur schwer wegzuklicken in kostenlosen Apps. Bei Amazon heißt der Button nicht “Kaufen”, sondern “Jetzt kaufen”.

In all den beschriebenen Fällen hilft Folgendes:

Erstens müssen wir die Tücken dieser Umwelt und ihre nicht zweideutigen Intentionen erkennen lernen. Hierfür müssen wir aufmerksam darauf achten, was Angebote im virtuellen und physischen Raum mit uns machen. Insbesondere, müssen wir uns stets fragen, ob uns eine Produktplatzierung, ein Angebot, eine vom Verkäufer freundlich klingende Frage, etwas das rechts oben blinkt, dazu verleiten könnte, etwas zu kaufen, dass wir eigentlich gar nicht brauchen oder haben wollen. Fangen Sie den Gedanken ein, wenn er erscheint und sagen Sie sich: “Ich weiß, dass dieses Angebot hier eingepflanzt wurde. Das ist OK. Aber diesmal falle ich nicht darauf rein.”

Zweitens können wir besser auf diese Tücken vorbereitet sein, indem wir die automatischen Reaktionen präventiv verhindern. Dies tun wir zum Beispiel indem wir die EC-Karte oder Kreditkarte zu Hause lassen, wenn wir ausgehen. Wir können ebenso nur einen bestimmten Betrag in Bargeld mitnehmen, um zu verhindern, dass wir mehr ausgeben. (Die Tatsache, dass immer mehr Geschäfte auf Kartenzahlung bestehen, macht einerseits vieles einfacher. Es hat andererseits auch negative Konsequenzen, weil wir wahrscheinlich mit Karte mehr kaufen als mit Bargeld.)

Eine weitere Präventivmaßnahme ist, alle auf dem Telefon und dem Computer automatisch hinterlegten Geldkartendaten zu löschen. Ebenso können Sie die Apps von Amazon, Otto oder Zalando von Ihrem Telefon löschen. Sollten wir wirklich etwas kaufen wollen oder müssen, dann können wir dies immer noch machen. Ohne hinterlegte Daten und ohne die App ist das Kauferlebnis jedoch schwerfälliger. Genau diese Schwerfälligkeit wollen Sie jedoch einrichten. Denn diese kleine Hürde macht unsere so schädlichen Spontankäufe weniger wahrscheinlich.

Viertens können Sie sich Bedenkzeiten erlauben. Anstatt sich selbst bei einer Kaufentscheidung mit einem harten Nein zu konfrontieren, könnten Sie sich sagen: “Ja, ich kaufe dies. Aber erst in drei Tagen”. Und wenn Sie nach Ablauf der Bedenkzeit das Produkt immer noch für gut und nützlich empfinden, können Sie es sich ja tatsächlich besorgen.

Zuletzt können wir uns mit “Wenn-Dann-Plänen” vorbereiten. Hierfür rekonstruieren wir alle Details, die uns das letzte Mal zu einem hinterher bereuten Kauf verführt haben. Daraus formulieren wir dann Umsetzungsabsichten wie:

Wenn ich das nächste Mal beim Bäcker ein Brot kaufe, verzichte ich auf den mir angebotenen Kaffee.

Ab jetzt, wenn ich in der U-Bahn sitze und gelangweilt bin, gehe ich nicht auf die Otto Website.

Wenn ich mal wieder kein Essen zu Hause habe, gehe ich mir Pasta und Pesto kaufen, anstatt mir eine Pizza zu bestellen.

Durch das Bewusstwerden und Ergreifen von Maßnahmen können wir fundiertere Kaufentscheidungen treffen und uns vor unnötigen Ausgaben schützen. DAS ist Teil von Financial Wellbeing. Mehr in meinem Buch.

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