Gedanken zum Gender Pension Gap
Mein Sommerurlaub brachte mich unter anderem auch nach Innsbruck in Österreich. Dort las ich am 3. August 2023 einen sehr interessanten Artikel in der Tiroler Tageszeitung zum Thema Gender Pension Gap. Es hieß, dass an dem Tag (also dem 3. August) in Österreich der Equal Pension Day ist. Tolle Erfindung!
Der Equal Pension Day informiert und erinnert daran, dass bis zu diesem Datum Männer bereits so viel Pension erhalten, wie Frauen erst am Ende des Jahres bekommen werden. Innerhalb Österreichs, so stand in dem Artikel, ist die Kluft zwischen Männern und Frauen besonders in Tirol bemerkenswert. Die Unterschiede in den Pensionen von Frauen und Männern betragen 44 Prozent, im Vergleich zu 40,5 Prozent im gesamten Land. In Deutschland gibt es ähnliche Unterschiede in der staatlichen Rente — wie der Rentenatlas zeigt.
In dem Artikel wurde diskutiert, dass ein Faktor, der zu den niedrigeren Pensionen für Frauen beiträgt, das Fehlen ausreichender Kinderbetreuung ist. Interessanterweise jedoch – und das finde ich wirklich sehr interessant! – zeigt Statistik Austria, dass die Teilzeitarbeitsquote mit 46 Prozent auch dann hoch ist, wenn es, wie in Wien, ein gutes Betreuungsangebot gibt.
In Wien werden laut Statistik Austria 90 Prozent aller Kinder im Alter zwischen null und fünf in ganztägigen Einrichtungen betreut, die Teilzeitquote liegt dennoch bei 46,8 Prozent. “Das ist zwar weniger als in anderen Bundesländern, aber immer noch mehr als in anderen europäischen Staaten" sagt Carmen Treml von der Agenda Austria. In Österreich würden Frauen viel zulange in Teilzeit bleiben.
Warum arbeiten Frauen häufiger in Teilzeit als Männer und akzeptieren dadurch langfristig einen Gender Pension Gap?
Der Artikel weist auf unzureichende steuerliche Anreize hin. Ein Beispiel aus dem Artikel zeigt, dass selbst wenn die Arbeitszeit um 50 Prozent erhöht wird, lediglich ein Gehaltsplus von 30 Prozent erzielt wird. Dies kann natürlich demotivierend wirken.
Jedoch sollten wir ein wichtiges Detail betrachten: Diese Gehaltslücke von 20 Prozent sollte nicht nur als Verlust im Jetzt gesehen werden. Vielmehr ist sie eine Investition in die zukünftige finanzielle Absicherung. Während es im Moment enttäuschend sein mag, nur 30 Prozent mehr Gehalt für 50 Prozent mehr Arbeit zu bekommen, fließt der Unterschied von 20 Prozent dennoch in die zukünftige Altersvorsorge ein. Sie ermöglicht langfristiges Financial Wellbeing.
Wollen Frauen vielleicht weniger gerne in Vollzeit arbeiten?
Martin Schröder behauptet das in seinem Buch “Wann sind Frauen wirklich zufrieden?” auf der Grundlage von 700.000 Befragungen (und das verpflichtet natürlich zur Zustimmung): Frauen sind in Teilzeit einfach zufriedener als Männer. Und das sollte man (vor allem Feministen und die Gender Studies) einfach mal akzeptieren anstatt umerziehen zu wollen. Schon erstaunlich ehrlich gesagt: Jedem Erstsemester wird beigebracht, dass eine Umfrage immer nur das misst, was sie messen soll und dass man nicht zu viel daraus ableiten sollte. Wenn Frauen eher sagen, dass sie in Teilzeit zufriedener sind, dann heißt das nicht gleich, dass Frauen nicht arbeiten wollen.
Ich halte drei Gründe für plausibler:
Vielleicht wollen Frauen eher unter anderen Vorzeichen arbeiten? Lilian Gehrke-Vetterkind deutet dies in ihrem neuen Buch “Frau kann Chef” an. Zu häufig stören diverse Phänomene der moderne Arbeitswelt – geprägt von technologischem Fortschritt und Werten wie Konkurrenz, Erfolg und Wachstum. Trotz vorhandener Infrastrukturen für die Kinderversorgung (wie zum Beispiel in Wien) stellen andere Dinge vielleicht öfter inhärente Probleme für Frauen dar. Traditionelle Geschlechterrollen, eine Betonung ständiger Verfügbarkeit, eine konkurrenzorientierte Kultur, die häufig eher aggressive und dominante Verhaltensweisen belohnt, sind nur einige Faktoren, die trotz objektiver Unterstützungssysteme zur systematischen Abschreckung von Frauen beitragen könnten. Vielleicht neigt die aktuell etablierte Arbeitskultur dazu, Männern mehr zu entsprechen und Frauen unverhältnismäßig herauszufordern. Das kann man nicht mit großen Datensätzen belegen (sorry, Herr Professor Schröder), würde sich aber lohnen, genauer zu untersuchen.
Zweitens belegen meine eigenen Forschungen am Centre for Behavioural Research bei meinem Arbeitgeber Aegon UK, dass Haushalte ihre Finanzen oft derart arrangieren, dass Frauen dazu angeregt werden, kurzfristig zu denken. Und Männer dazu angeregt werden, langfristig zu denken. Ich führe dies ein wenig in meinem Buch aus. Kurzum, Frauen sagen eher von sich (und Männer sagen eher von ihren Partnerinnen), dass sie verantwortlich sind dafür, wie viel man ausgibt für Lebensmittel, Kinderversorgung, Kleidung und Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenke. Und Männer sagen eher von sich (und Frauen sagen eher von ihren Partnern), dass sie verantwortlich sind dafür, wie viel man privat vorsorgt in der Altersvorsorge. Diese Art von Haushaltsplanung erzieht Frauen dazu, kurzfristig zu denken. Und Männer dazu, langfristig zu denken. Der Appell also: Frauen, überlasst die Altersvorsorge nicht nur euren Männern. Männer, beteiligt euch an allen Formen der Haushaltswirtschaft!
Drittens glaube ich, gibt es bei Frauen häufig eine subtilere Aversion, sich mit ihrem zukünftigen Selbst zu beschäftigen. Ich werde bald einen Blog veröffentlichen mit dem Titel “Anti-Falten-Cremes sind Gift für die Altersvorsorge”. Das ist natürlich ein wenig ironisch gemeint. Aber im Kern geht es darum: Alter und Altern ist für Frauen – aufgrund einer Vielzahl an Gründen – eher schamhaft besetzt (und deswegen boomt der Anti-Ageing Markt). Das Altern kann für viele Frauen schambehaftet sein aufgrund gesellschaftlicher Schönheitsideale, die Jugendlichkeit mit Schönheit und Wert gleichsetzen. Medien und Kultur betonen oft diese Ideale, was zu einem Gefühl der Abwertung bei körperlichen Veränderungen führt. Die Angst vor Ablehnung, sei es in Beziehungen oder auf dem Arbeitsmarkt, verstärkt diese Schamgefühle. Zudem können interne Überzeugungen und der ständige Vergleich mit anderen durch soziale Medien das Selbstwertgefühl beeinflussen, während kulturelle Werte, die Frauen oft mit ihrer Fruchtbarkeit gleichsetzen, nach der Menopause zusätzliche Scham auslösen können.
Das ist wichtig, denn: Altersvorsorge gelingt vor allem dann, wenn man eine konkrete, intrinsisch motivierte und bedeutungsvolle Verbindung zu seinem zukünftigen Selbst hat. Spitzenverdiener mit einer solchen konkreten Verbindung mit ihrem zukünftigen Selbst (Wo werde ich leben? Mit wem werde ich Zeit verbringen? Was werde ich tagein/tagaus machen?) haben viel wahrscheinlicher Altersvorsorge betrieben, als Spitzenverdiener, die eine vage und diffuse Verbindung mit ihrem zukünftigen Selbst haben. Kurzum, es kommt nicht nur darauf an, wie viel man verdient – klar: man muss Geld verdienen, um Geld für die Zukunft zur Seite legen zu können. Man braucht aber mehr als nur Geld. Man braucht ebenso ein zukunftsorientiertes Mindset und eine positive und intrinsisch motivierte Verbindung mit seinem zukünftigen Selbst. Diesem Thema widme ich ein ganzes Kapitel in meinem Buch. Diese Verbindung zum zukünftigen Selbst, ist einer der 10 Money- und Mindset Bausteine, die ich darin bespreche.
Mir scheint, diese Perspektive zu berücksichtigen wäre hilfreich, um den Gender Pension Gap mit eher “irrationalen Ansätzen” zu bewältigen. Kinderbetreuung, steuerliche Anreize, etc. machen rational und objektiv Sinn. Aber Menschen sind nicht nur rationale Wesen. Ihr Verhalten wird oft angetrieben von Instinkten, Emotionen, Motivationen und Kontextfaktoren, die es zu berücksichtigen gilt.
Vielleicht sind wir beim nächsten Equal Pension Day schon weiter und beherzigen diese Perspektive.