Die 10 Bausteine

Das von mir und meinen Kollegen bei Aegon UK entwickelte Modell definiert langfristiges Financial Wellbeing anhand von 10 Bausteinen. Fünf davon sind finanzielle Bausteine. Die anderen fünf sind Mindset-Bausteine (sprich, es geht darum, wie und ob wir über Geld instinktiv oder bewusst denken und fühlen). In meinem Buch diskutiere ich jeden dieser Bausteine ausführlich. Und ich gebe Tipps, wie Sie sich dahingehend verbessern können. Die folgende Kurzübersicht entstammt der Einleitung meines Buches.

Jedes Kapitel behandelt abwechselnd einen Money- und einen Mindset-Baustein. Die ersten fünf Kapitel konzentrieren sich eher auf die Gegenwart (wie wir unsere finanzielle Situation und unser Mindset hier und jetzt verbessern). Und sie konzentrieren sich auf Ansätze aus der eher klassischen Verhaltenswissenschaft. Wir werden viel über die unterschiedlichen Denkweisen nachdenken – einerseits das intuitive, automatische und schnelle Denken (das Kahneman das „System 1“ nennt). Und andererseits das rationale, kalkulierende und langsame Denken („System 2“).

Dies sind also die ersten fünf Bausteine.

Money-Baustein „Einkommen“

Es gibt Menschen, die sagen, dass Geld nicht wichtig sei für ihre Lebenszufriedenheit und ihr Wohlbefinden. Diese Aussage wird im ersten Kapitel meines Buches widerlegt anhand von Untersuchungen über die richtige Höhe des Einkommens. Kurzum, ein gutes Einkommen ist wichtig, denn zu wenig Einkommen geht meistens einher mit Stress und anderen körperlichen und psychischen Krankheiten. Es gibt ebenso Menschen, die ein immer höheres Einkommen anstreben, weil sie glauben, dass sie damit ihr Wohlbefinden stetig verbessern. Dies ist ebenso ein Irrglaube. Im ersten Kapitel rege ich Sie an, ein Einkommen anzustreben, das „gut genug“, ist und liefere einen Hinweis, was ein ausreichendes Einkommen sein könnte.

Mindset-Baustein „Soziale Vergleiche“

Es gibt diverse Studien, die belegen, dass unser objektiver Wohlstand weniger wichtig ist als unser Wohlstand im Vergleich zum (von uns angenommenen) Wohlstand von anderen. Zum Beispiel gibt es eine großartige Studie aus der Schweiz, die belegt, dass die Lebenszufriedenheit in den Kantonen des Landes geringer ist, in denen es eine hohe Registrierung an Porsches und Ferraris gibt. Es ist normal zu vergleichen (Menschen tun es seit Tausenden von Jahren). Aber wir können bessere Vergleiche anstellen, indem wir zum Beispiel Vorbilder wählen oder indem wir uns fragen, was genau wir eigentlich am Lebensstil von anderen beneiden. Hierbei lernen wir idealerweise wichtige Dinge über uns selbst. In diesem Kapitel lernen Sie drei erprobte Techniken kennen, mit denen Sie bessere Vergleiche anstellen können.

Money-Baustein „cleverer Konsum“

Ungefähr sechs Millionen Bürger in Deutschland – oder zehn Prozent der Erwachsenen – sind überschuldet und weisen „nachhaltige Zahlungsstörungen“ auf. Einer der Gründe hierfür, der Jahr für Jahr an Gewicht gewinnt, lautet „unwirtschaftliche Haushaltsführung”. Ein Begriff, der oft auch synonym mit dem Begriff „irrationales Konsumverhalten” verwendet wird. In diesem Kapitel schauen wir uns an, wie bestimmte Kontextfaktoren (zum Beispiel Kredit- oder Debitkarten oder vermeintliche Schnäppchen) es leichter machen, in die Schuldenfalle zu geraten und wie Sie das verhindern. Bei „cleverem Konsum“ halten Sie viele Ihrer Instinkte im Zaum, zum Beispiel, indem Sie die EC-Karte zu Hause lassen, Kartendaten im Browser löschen oder mit sogenannten Wenn-dann-Plänen.

Mindset-Baustein „Klarheit über unsere Bedürfnisse”

Viele Probleme (mit unserem Einkommen, mit unserer Altersvorsorge oder mit Schulden) entstehen, weil unser Konsumverhalten unsere tieferen Bedürfnisse missachtet. Mit anderen Worten, wir verschwenden viel und denken nicht darüber nach, wie wir unsere Belange effizienter und kostengünstiger bedienen könnten. In diesem Kapitel diskutiere ich zwei handfeste und einfach anwendbare Ansätze aus Psychologie und Verhaltenswissenschaft, die eine Introspektion dahingehend leichter machen.

Money-Baustein „Finanzpolster und Sicherungsnetze“

Wir können nicht perfekt vorhersagen und planen, was passieren wird. Wir müssen aber für ein paar denkbare Szenarien gewappnet sein. Ob für den Fall, dass der Kühlschrank kaputtgeht und wir einen neuen brauchen; für den Fall, dass wir eine komplexe Zahnoperation brauchen, wir unseren Job verlieren, eine längere Krankheit uns berufsunfähig macht oder, schlimmer noch, für den Fall des verfrühten Todes eines Verdieners in der Familie. In diesem Kapitel lege ich mit dem verhaltenswissenschaftlichen EAST-Modell dar (Make it Easy, Make it Attractive, Make it Social, Make it Timely), wie Sie die allgemein als sinnvoll erachteten Finanzpolster und Sicherungsnetze aufbauen.

Dies sind die ersten fünf Bausteine für Financial Wellbeing. Wie erwähnt, sie betreffen vor allem die Gegenwart. Und sie orientieren sich eher an den Erkenntnissen und Ansätzen der klassischen Verhaltenswissenschaften.

Die weiteren fünf Bausteine betreffen die Zukunft. Sie basieren auf vielen Annahmen der klassischen Verhaltenswissenschaften, gehen jedoch über diese hinaus. Insbesondere Erkenntnisse aus der neueren Psychologie (oder der Positiven Psychologie) und der Verhaltenstherapie werden hier genutzt.

Mindset-Baustein „Empathie mit Ihrem ,zukünftigen Selbst‘“

Natürlich brauchen wir Geld für die Altersvorsorge. Aber eine Erkenntnis aus meinen und anderen Forschungen lautet: Wichtiger als Geld ist ein langfristiger Denkhorizont. Halten Sie es für möglich, dass Menschen auf den geringsten Einkommensstufen eher langfristige Sparer sein könnten als Menschen auf den höchsten Einkommensstufen? Es ist tatsächlich so. Und zwar dann, wenn diejenigen auf den geringsten Einkommensstufen eine konkrete und aussagekräftige Verbindung zu ihrem zukünftigen Selbst haben. Wohingegen diejenigen auf den höchsten Einkommensstufen nur eine vage und diffuse Verbindung zu ihrem zukünftigen Selbst haben. Besser noch: Menschen mit einem langen Zeithorizont zeigen andere Verhaltensweisen in allen möglichen anderen Bereichen: Sie haben zum Beispiel auch weniger Schulden und höhere Finanzpolster. Empathie aufzubauen mit den intrinsischen Motivationen unseres zukünftigen Selbst – Wo werden wir in 20 Jahren leben? Mit wem werden wir dann Zeit verbringen? Was werde ich tagein, tagaus unternehmen? – ist vielleicht der beste Tipp in diesem Buch. In diesem Kapitel erfahren Sie von drei Techniken, wie Sie das angehen können.

Money-Baustein „Altersvorsorge“

So entmutigend es auch sein mag, die unausweichliche Wahrheit lautet, dass die Menschen, wenn sie länger leben, mehr Geld brauchen. Das bedeutet, entweder mehr zu sparen oder länger zu arbeiten. In diesem Kapitel geht es um die Notwendigkeit der privaten Altersvorsorge im Allgemeinen und der politisch immer expliziter gewollten kapitalgedeckten Altersvorsorge im Besonderen. Diese Art der Altersvorsorge ist in vielen anderen Ländern wie den USA und Großbritannien – aber auch der Schweiz, Schweden und Norwegen – schon länger gang und gäbe. Deshalb gibt es vor allem aus diesen Ländern diverse Erkenntnisse zu richtigen Anlagestrategien, aber auch verhaltenswissenschaftliche Befunde zur richtigen Verhaltens- und Denkweise beim langfristigen Investieren. Wir betrachten in diesem Kapitel zunächst die Überlegenheit von Faustregeln. Daraufhin lesen Sie von einigen Faustregeln für langfristigen Erfolg an den Kapitalmärkten. Welche Plattform, welche Anlagestrategie, wie viel sollte man sparen – auf all diese Fragen gibt es grobe Antworten.

Mindset-Baustein „Langfristige Lebensplanung, nicht Finanzplanung“

Wir werden immer älter. Und wir leben lange, gesunde Leben. Das ist eine tolle Konsequenz aus den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritten der letzten 150 Jahre. Die Schattenseite davon ist, dass wir für unser langes Leben mehr Geld brauchen. In diesem Kapitel denken wir darüber nach, warum wir eine neue Vorstellung von Alter und vom Ruhestand brauchen, um einen besseren Umgang mit Langlebigkeit zu entwickeln. Jetzige Vorstellungen von der „dritten Lebensphase” beruhen auf Lebenszyklen von vor 100 Jahren – sie sind nicht mehr aktuell und setzen uns, insbesondere im mittleren Alter, unnötig unter Druck. Ich argumentiere, dass Menschen ihre Karriere und Finanzen so gestalten sollten, dass sie flexibler und anpassungsfähiger auf Veränderungen reagieren können. Dies kann bedeuten, dass man seine Karriere in kleineren Schritten und über einen längeren Zeitraum hinweg aufbaut, statt alles auf einmal zu erreichen. Es kann auch bedeuten, dass man seine Finanzen so gestaltet, dass man in der Lage ist, mehrere Karrierewechsel oder Ruhestandsphasen zu überstehen.

Money-Baustein „Vermögenswerte für Langlebigkeit“

Wenn wir Wohlstand definieren, dann denken wir zumeist an die Summe unserer Einkommen, Investitionen, Immobilien und andere Bilanzaktiva. Die Soziologie lehrt uns allerdings schon seit Längerem, dass Kapital nicht nur in finanzieller Art daherkommt. Pierre Bourdieu, der einflussreiche französische Soziologe, identifizierte beispielsweise soziales Kapital (die Möglichkeiten, die durch Zugehörigkeit zu einer Gruppe entstehen) und kulturelles Kapital (zum Beispiel die produktiven Kräfte unserer Bildung) als ebenso wichtige Anlagen. In diesem Kapitel diskutieren wir die meiner Meinung nach wichtigsten finanziellen und nicht-finanziellen Anlagegüter, in die es sich lohnt zu investieren. Es wird begründet, warum Selbstwissen eines der wichtigsten Anlagegüter der Zukunft sein wird. In diesem Kapitel werden wir die Notwendigkeit dieser Fähigkeit im Zusammenhang mit dem Übergang vom bisherigen Drei-Phasen-Leben (Ausbildung, Erwerbsleben, Ruhestand) zum zukünftigen Mehr-Phasen-Leben hervorheben.

Mindset-Baustein „Krisenbewusste Gelassenheit“

Wir leben in Krisenzeiten. Die Gefahr eines einseitigen Fokus auf die Tücken der Krisen jedoch ist, dass wir ein „Knappheits-Mindset“ entwickeln. Zum Beispiel entdecken wir in Zeiten von hoher Inflation schnell den höheren Preis von Butter; wir überlegen, wie wir Gas und Elektrizität sparen können; wir haben ein Auge auf die Währungskurse, um zu erahnen, welchen Einfluss der Dollar-Kurs auf unseren Urlaub haben könnte. Dieses „Knappheits-Mindset“ kann hilfreich sein, um die konkreten damit verbundenen Probleme zu bewältigen. Aber es lässt uns ein größeres Phänomen missachten: Wir werden älter, und wir leben länger gesund. Es ist unvermeidlich, dass wir Krisen erleben werden. Aber die Frage ist, wie wir auf Krisen reagieren. Werfen uns diese Krisen aus der Bahn? Oder sind wir darauf vorbereitet? Können wir sie gar nutzen, um uns auf die nächsten fünf bis zehn Jahre besser vorzubereiten? Wir gehen in diesem Kapitel zurück bis zur Antike – zur Philosophie der Stoiker. Wir werden sehen, dass diese Lebensphilosophie diverse Gemeinsamkeiten mit einigen Grundannahmen aus den Verhaltenswissenschaften und der kognitiven Verhaltenstherapie hat. Und wir betrachten drei Techniken der Stoiker, die uns helfen, besser auf Krisen zu reagieren und auf das zu achten, was in unserer Kontrolle ist.

Dies sind die 10 Bausteine für Financial Wellbeing. „Aufmerksamkeit richten auf“ übersetzt man ins Englische mit „to pay attention to“. Dass man Aufmerksamkeit zahlt – wortwörtlich übersetzt – ist sehr passend. Diese Formulierung betont, dass Aufmerksamkeit ein knappes Gut ist, mit dem wir bewusst wirtschaften müssen. Wir können uns schlecht mit unserem Partner unterhalten und dabei WhatsApp-Nachrichten lesen. Wir können nicht für die Kinder da sein und gleichzeitig eine E-Mail beantworten. Wir können kein Musikalbum genießen und gleichzeitig mit Freunden telefonieren. Aufmerksamkeit zu richten auf das eine bedeutet, etwas anderes zu ignorieren.

Die in meinem Buch vorgestellten 10 Bausteine für finanzielles Wohlbefinden haben das Ziel, Ihnen zu helfen, Aufmerksamkeit zu „zahlen“ für die Dinge, Aktivitäten und Erlebnisse, die Ihnen heute und in Zukunft Freude machen und die Ihnen Lebenssinn geben. Sodass Sie all diese Dinge heute – und in der Zukunft – mit den Ihnen zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln auch bezahlen können.

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Reflexionen nach Besuch einer “Listening Bar”

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