Bürokratisch verwirrt
Ich muss zugeben: Der Brief von der Deutschen Rentenversicherung hat mich sauer gemacht. Und zwar nicht deshalb, weil die Höhe meiner künftigen Regelaltersrente (das selbe wie die staatliche Rente nehme ich an) so gering ausfällt. Das ist kein Wunder. Ich habe ja kaum in Deutschland gearbeitet und meine Rentenansprüche deshalb nicht in Deutschland erworben.
Nein, verärgert war ich von der Sprache des Briefes. Darin wird die Notwendigkeit der privaten Altersvorsorge so beschrieben:
„Da die Renten im Vergleich zu den Löhnen künftig geringer steigen werden und sich somit die spätere Lücke zwischen Rente und Erwerbseinkommen vergrößert, wird eine zusätzliche Absicherung für das Alter wichtiger („Versorgungslücke“). Bei der ergänzenden Altersvorsorge sollten Sie – wie bei Ihrer zu erwartenden Rente – den Kaufkraftverlust beachten.“
Eine schnelle Analyse in Word zeigt, dass man ungefähr 16 Jahre in formaler Ausbildung (also Schulen oder Hochschulen) verbracht haben muss, um diesen Satz zu verstehen. 16 Jahre!
In Großbritannien ist das durchschnittliche Leseniveau eines Erwachsenen ungefähr das eines Achtklässlers. Ich habe keine vergleichbare Studie aus Deutschland gefunden – aber es wird ähnlich sein. Die Level-One-Studie fand zum Beispiel heraus, dass „funktionaler Analphabetismus […] kumuliert mehr als vierzehn Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung [betrifft]“. Und 13 Millionen Menschen lesen auf Alpha-Level 4. „Davon wird gesprochen, wenn auf Satz- und Textebene auch bei gebräuchlichen Wörtern langsam und/oder fehlerhaft gelesen und geschrieben wird.“
Kein Wunder also, dass die wohlgemeinte Aussage in diesem Brief wohl kaum die richtigen Schlussfolgerungen auf Seiten der Leser hervorrufen wird. Menschen werden weiterhin nicht genug fürs Alter vorsorgen, werden weiterhin überfordert sein und eine recht große Rentenlücke vorfinden, wenn die einzigen Informationen zum Thema Altersvorsorge aus Briefen der Deutschen Rentenversicherung gewonnen werden.
Wie ich in meinem Buch schreibe, ist langfristige Finanzplanung in erster Linie eine mentale, nicht eine finanzielle Herausforderung. Wir finden es nicht nur schwer, finanziell langfristig zu planen, sondern es fällt uns generell schwer, an die Bedürfnisse und Sorgen unseres zukünftigen Selbst zu denken.
Deshalb lohnt es sich, die Informationen hinsichtlich der Altersvorsorge mithilfe einiger grundlegender Erkenntnisse aus den Verhaltenswissenschaften zu beschreiben, zum Beispiel dem EAST-Modell. Wenn man will, dass die Leute etwas tun, dann soll man es ihnen einfach machen. Das EAST-Modell steht für „Easy, Attractive, Social, Timely“ (einfach, attraktiv, sozial, zeitgerecht). Informationen sollten also so aufbereitet werden, dass sie leicht verständlich, ansprechend, sozial relevant und zum richtigen Zeitpunkt vermittelt werden.
Jener zitierte Satz würde in meinem Brief dann so klingen:
„Damit Ihre Rente im Alter ausreicht, sollten Sie zusätzlich privat vorsorgen. Denken Sie daran, dass Geld im Laufe der Zeit an Wert verliert, also legen Sie auch hierfür genug zurück.“